Eigenständige Ökologische Geflügelzucht
Geschichte
Ökologische Geflügelzucht
Willy Baumann und Gerhard Seemann, 12.08.2014
Ausgangslage
Der seit Jahrzehnten in der Landwirtschaft herrschende enorme Kostendruck führte zur heutigen extremen und spezialisierten Leistungszucht in allen Bereichen der Tierproduktion. Unsere ursprünglich mehrfach verwendbaren Haustiere wurden auf einseitige Höchstleistungen selektiert und ausgenutzt. In vielen Bereichen der Tierproduktion werden aus Kostengründen die Grenzen zur Qualzucht schon deutlichen überschritten und die leistungsbedingten Krankheiten nehmen weiter zu. Die „Nebenprodukte“ der Eierproduktion – die nutzlosen männlichen Küken werden aus Kostengründen vergast. Gleiches passiert bei der spezialisierten Milcherzeugung in Neuseeland da werden die männlichen Jeseykälber nach der Geburt einfach erschlagen. Eine generelle Wende zu einer ethisch akzeptablen und wesensgerechten Tierzucht ist leider noch nicht absehbar. In der Geflügelzucht ist die momentane Abhängigkeit der Bio-Produktion von einigen weltweit agierenden Grosskonzernen am grössten.
Mit Rassezucht zur Unabhängigkeit?
Der bis heute negativ geprägte Begriff der „Hybrid-Hühner“ kommt aus den 50iger Jahren, als die Firma Hy-Line als erste, den von der Maiszüchtung bekannten Heterosiseffekt in der ersten Nachkommengeneration aus exzessiven Inzuchtlinien in der kommerziellen Hühnerzucht nutzte. Die Kreuzungstiere wurden robuster und vitaler. Über Jahre wurden damit enorme Leistungssteigerungen erzielt. Gleichzeitig war dies der Beginn der getrennten Hühnerzucht zwischen Lege- und Mastlinien sowie der Abhängigkeit der Hühnerhalter von den Zuchtunternehmen. Das auf Inzucht basierende Konzept wurde 1970 von Lohmann Tierzucht zugunsten einer hohen Variabilität in verschiedenen reinen Linien verändert, so dass die Inzuchtkoeffizienten heute weit unter denjenigen der Öko-Milchviehzucht liegen. Die heutige Geflügelzucht basiert auf einer Gebrauchskreuzung aus vier Linien. Durch die Mutterlinien wird vor allem die Legeleistung und durch die Vaterlinien die Eigrösse und die Gefiederfarbe vererbt.
Bedarf festgestellt — wenig umgesetzt
Die Öko-Geflügelbranche und die zuständigen Kontrollbehörden leiteten jahrelang aus der Formulierung „ Die biologischen Tiere müssen in ökol. Betrieben geboren und aufgezogen worden sein“, ab, dass die Bestimmung nicht für das Geflügel gelten würde, da Vögel ja aus Eiern schlüpfen und somit nicht geboren werden.
Diese Interpretation wurde aus wirtschaftlichen Gründen von den meisten Ökoverbänden akzeptiert. Fünfzehn Jahre sind vergangen, seit ich mit Dr. Günter Postler zu einer ersten Beurteilung der Perspektiven ökologischer Geflügelzucht ans Forschungsinstitut biologischer Landbau (FiBL) nach Frick eingeladen hatte. Verschiedene Projekte, wie Gebrauchskreuzungen (Masthahn x WR) und verlängerte Legedauer wurden initiiert und getestet. Im Netzwerk Ökologische Tierzucht wurden von 2004 bis 2007 mit Pionieren und Experten die anstehenden Probleme und mögliche Lösungsansätze in der Geflügelzucht weiter diskutiert. Passiert ist aber wenig.
Demeter und die Domäne Mechtildshausen zeigen – es geht doch
2007 erarbeitete der Demeter-Erzeugerverbund Richtlinien zur Geflügelzucht, bei denen die Herkunft der Küken aus einer Öko-Brüterei verbindlich vorgeschrieben ist. Damit ist auch geregelt, dass die Elterntiere unter Demeter-Bedingungen gehalten wurden. Zur Risiko-Begrenzung werden die Elterntiere seit zwei Jahren auf einem Biolandbetrieb ohne Grünauslauf gehalten, aber mit grosszügigem Aussenklimabereich und Geflügellaufhof, der in Risikogebieten mit Planen gedeckt werden konnte. Gleichzeitig wurden die EU-weit strengsten Haltungs- und Fütterungsvorgaben umgesetzt.
Der „Stolze Gockel“ vom Demeterhof Schubert, die Bruderhahn-Initiative vom Bauckhof und das „Hänsel & Gretel-Projekt mit der Reinzucht der Rasse „Les Bresses Gauloises“ von Inga Günther, Hofgut Rengoldshausen sind Initiativen um die Problematik der männlichen Legeküken pragmatisch anzugehen.
Seit vielen Jahren wurden in Merbitz im Auftrag der Domäne Mechtildshausen verschiedene Lege- und Mastlinien züchterisch bearbeitet. Die Domäne Gold ist eine 2-Linienkreuzung zwischen New Hampshire-Hahn und White Rock-Henne, als reziproke Verpaarung entsteht eine mehrheitlich weiss befiederte „Silver-Henne“, die braune Eier legt. Für die Masthühnerproduktion wurden Bresses-Zuchttiere weitergezüchtet. Eine Kreuzung zwischen Bresses-Masthahn und Domäne Gold-Henne hat sich im Versuch als erfolgsversprechende Variante für ein Zweinutzungshuhn erwiesen. Diese Zuchttiere konnten nach langen Verhandlungen als Basiszuchttiere für die ÖTZ gGmbH übernommen werden.
Ökologische / Nachhaltige Zuchtziele am Beispiel Geflügelzucht (gilt aber für alle Nutztiere)
- Die wirtschaftlichen Produktionsziele nehmen Rücksicht auf Gesundheit und Wohlbefinden von Mensch, Tier und Umwelt.
- Robuste, widerstandsfähige und wesensgemäss gefütterte Tiere.
- Alle geborenen/geschlüpften Nutztiere werden sinnvoll genutzt.
- Unsere Tiere müssen vorzugsweise mit den Nebenprodukten einer lebensmittelbetonten und Humus aufbauenden Fruchtfolge (Klee/Luzerne, Ackerbohne und andere Futterkulturen) und der Lebensmittelverarbeitung effiziente Leistungen bringen.
- Effiziente Lebensleistung und hohe Lebensmittelqualität - Längere Nutzungsdauer bei den legebetonten Drei-Nutzungs-Hühner → Drei-Nutzung: Eier – Masthühner – am Ende ein hochwertiges Brathuhn
- Verschiedene Rassen/Gebrauchskreuzungen für unterschiedlichste Betriebe
Bressehühner haben einen Verdauungstrakt, der weniger gehaltvolle Rationen aus Nebenprodukten effizienter verwerten kann, wenn wir sie von klein auf daran gewöhnen. Sie sind damit ideale Partner für Gebrauchskreuzungen mit verschiedenen Rassehühnern (NewHampshire, White Rock, Sussex, Schweizerhuhn, Bielefelder Kennhuhn, Sundheimer, Marans, , Amrock, Australorp, und weitere)
Gebrauchskreuzungen mit den ÖTZ-Linien
► Legebetontes ZweiNutzungsHuhn: New Hampshire♂ x (Bresse♂ x White Rock♀)
► Legebetontes ZweiNutzungsHuhn: White Rock♂ x (Bresse♂ x New Hampshire♀)
► Fleischbetontes-DreiNutzungsHuhn: Bresse♂ x (Bresse♂ x NewHampshire♀ oder White Rock♀)
DreiNutzungsHuhn ÖTZ Coffee: New Hampshire ♂ x Bresse♀ / Bresse♂ x New Hampshire♀
► DreiNutzungsHuhn ÖTZ Crème: Bresse♂ x White Rock♀ / Bresse♀ x White Rock♂
► DreiNutzungsHuhn: Bresse♂ x Bresse♀: ♂ als Poulet de Bresse, ♀ zum Legen und Mästen,
Epigenetik als Zuchtgrundlage
- Die Umweltbedingungen bestimmen über epigenetische Vorgänge, welche Gene freigeschaltet oder blockiert werden und was unter künftigen Umweltbedingungen überlebensfähig sein kann.
- Weibliche Überlegenheit in der Vererbung beachten ► membrangestützte Informationen
- Je mehr Umwelterfahrungen, desto mehr ressourcenschonender Zuchtfortschritt
- Reproduktion/Remontierung erst nach längerer «Lebenserfahrungen / epigenetische Prägung» der Zuchttiere
- Pathogenfreier BionikaLife-Einstreustarter (Nährhumus) ermöglicht die Aufnahme von lebenden Mikroorganismen aus Boden und Mikrobiom, die über Symbiosen (Mitochondrien) eine Weiterentwicklung ermöglichen.
- Epigenetische Prägungen/Erfahrungen werden laufend an die Nachkommen weitergegeben.
- Nutzung der epigenetischen Rückkoppelung zwischen Boden, Pflanzen und Tieren.
- Stickstoffretention durch die Kaskadennutzung von aktivierter BionikaLife-Pflanzenkohle in der Tierernährung, Einstreumanagement mit BionikaLife-Einstreustarter und mittels gelenkter Kompostierung nach Lübke-Hildebrandt.
- Unter der Kaskadennutzung der Pflanzenkohle (PK) verstehen wir, dass die Tiere schon über das Futter bioaktive pathogenfreie BionikaLife-Pflanzenkohle aufnehmen können, um im Verdauungstrakt stoffwechselstörende und stickstoffhaltige Nebenprodukte zu binden und damit die Stickstoffretention im Geflügelkot substantiell erhöhen. Mit dem BionikaLife-Einstreustarter werden vor allem die klimabelastenden Ammoniakausgasungen im Einstreu- und Aussenklimabereich verringert und damit erhöhen sich die Stickstoffgehalte in der Geflügeleinstreu.
- Dieser Geflügelmist wird über gelenkte Kompostierung nach Lübke und Hildebrandt - mit Verora-Pflanzenkohle angereichert – zu einem hochwertigen "TerraPreta"-Nährhumus nach BionikaLife-Standard veredelt. Er führt zu einer nachhaltigen Steigerung und qualitativen Verbesserung der Humusgehalte in den Böden und bringt damit einen substanziellen Beitrag über eine langfristige Bodenspeicherung zur CO2-Verringerung durch die Landwirtschaft.
Interdisziplinäre Geflügel- und Pflanzenzucht
Pflanzen- und Geflügelzucht interdisziplinär abstimmen
2008 formulierte Johannes Wirz vom Goetheanum in Dornach in der Zusammenfassung des Artikels „Nicht Baukasten, sondern Netzwerk - die Idee des Organismus in Genetik und Epigenetik“:
Ergebnisse der molekularen Biologie zeigen, dass zwischen Lebewesen und Umwelt ein Kontinuum besteht, das die Trennung von Variation und Selektion als zwei unabhängige Prozesse aufhebt. Und dass Lebewesen nicht Realisierungen ihres genetischen Programms darstellen, sondern es im Gegenteil aktiv interpretieren.
Die Bio-Geflügelproduktion wird eine neue Dimension erhalten wenn wir den Schritt zum interdisziplinären Arbeiten zwischen Pflanzenbau und Tierzucht endlich machen werden. Aus den neuen Ansätzen der Epigenetik wissen wir, dass die Ausbildung und Ausprägung von Merkmalen abhängig von der Umwelt und den Erfahrungen der Vorfahren ist.
Unsere Legehennen können nur dann unter Ökobedingungen effiziente Leistungen erbringen, wenn sie über mehrere Generationen unter denselben Futter- und Haltungsbedingungen leben und selektiert werden.
Bio-Geflügelproduktion auf regionaler Futtergrundlage
Um unser Ziel einer ethisch akzeptablen Bio-Geflügelproduktion auf regionaler Futtergrundlage im engeren Sinn zu erreichen, müssen wir endlich auch die Pflanzenzüchtung integrieren und die Züchtung von geflügeltauglichen Leguminosen und Futterkomponenten verstärken und fördern. Mit den angepassten Geflügel-Körnerleguminosen in der Fruchtfolge erreichen wir höhere Erträge und bessere Lebensmittelqualitäten der Marktfrucht-Produktion, größere Verbraucherakzeptanz dank mehr Regionalität sowie eine höhere Wertschöpfung für den Betriebes durch die wertvolle Veredelung in der Geflügelfütterung.
Holistische Geflügelzucht in Mobilställen
Holistische Geflügelzucht in Mobilställen als Teil der Kreislaufwirtschaft und Kulturlandschaft
Das Bresse-Gauloise-Huhn aus der gleichnamigen Region in Ostfrankreich nahe der Schweizergrenze ist meiner Ansicht nach ein effektives Dreinutzungshuhn (Henne, Hahn und Suppenhuhn) und deshalb ein ausgezeichneter Partner um die verschiedenen Ansprüche der Hühnerhalter nach unterschiedlichen Lege- und Masthühnern zu erfüllen. Es hat gemäss Beobachtungen von Jens Bodden, Zuchttierhalter für die ÖTZ, einen längeren Verdauungstrakt und kann damit weniger gehaltvolle Rationen mit höheren Grünfutteranteilen sehr gut verdauen und verstoffwechseln. In der Bresse wurden sie früher vorwiegend mit Nebenprodukten der Milchverarbeitung ergänzt mit Ausputzgetreide und Mineralstoffen gefüttert und erzielten akzeptable Leistungen und exquisite Fleischqualität. Durch eine gezielte Anpaarung im Kreuzungssystem wird erreicht, dass alle nicht zur Weiterzucht verwendeten Hennen und Hähne sinnvoll als Lebensmittel verwendet werden können. Gleichzeitig werden mit Gebrauchskreuzungen Spezialisierungen möglich, die den wirtschaftlichen und qualitativen Ansprüchen von Erzeugern und Konsumenten gerecht werden.
Mit unterschiedlich grossen Mobilställen können wir das oben genannte sinnvoll umzusetzen. Die Hühner reisen den Leguminosenflächen einer Lebensmittel betonten Fruchtfolge und den Naturwiesen nach. Sie erhalten wertvolles Luzernegras für hochwertige Eier und düngen im Gegenzug die Flächen.
Bäuerliche Hühnerzucht
Um die epigenetischen Anpassungen an das natürliche Umfeld zu nutzen, ist eine betriebseigene Zucht mit einer eigenen Hof-Brüterei und gemischtgeschlechtlichen Jungtieraufzucht erforderlich. Die Aufzuchtplanung der Legetiere orientiert sich hauptsächlich an der regionalen Eiernachfrage. Nach 5-6 Wochen werden die Hähne in separate Mobilställe umgestallt und die Junghennen verbleiben bis 10 Tage vor dem Legebeginn im Aufzuchtstall und wechseln dann in die vorgesehenen Mobilställe. Da sich die weiblichen Bresses-Gauloise Küken ebenfalls hervorragend zur Mast eignen, können wir mit unserem Zuchtsystem auch die hohe Nachfrage in den wärmeren Jahreszeiten nach hochwertigen Geflügelfleisch ohne Probleme erfüllen.
Wenn man 2 Mobilställe mit je 235 Bresse-Hennen und 20 Bresse-Hähne hält, kann man eine eigene Zucht aufbauen. Alle 4 Wochen plant man einen Schlupf für gemischte Mastküken. Die Mastendgewichte nach 12 Wochen sollten bei den Hähnen um die 2300g bei den Hennen um 1900g sein, je nach Futterzusammenstellung.Vier bis fünf Mal im Jahr legt man Bruteier für die Legehennen-Remontierung ein. Die nicht zur Zucht benötigten Eier werden als Konsumeier verkauft.
Willy Baumann, Fachberater für holistische Landwirtschaft und wesensgemässe Tierhaltung / 09. Dez. 2020